Besorgniserregende Häufung von Schlagopferfunden im Windpark Harthäuser Wald

Pressemitteilung der Schutzgemeinschaft Harthäuser Wald e.V. vom 12.11.2018


Besorgniserregende Häufung von Schlagopferfunden im Windpark Harthäuser Wald


Seit dem 6.11.2018 wurden an den Windkraftanlagen im Harthäuser Wald bei Stichprobensuchen bereits 6 tote Fledermäuse gefunden und zur Landesuntersuchungsanstalt
Fellbach zur Obduktion weitergeleitet. Der Abschaltalgorithmus zum Schutz der Fledermäuse ist ab November ausgesetzt. Bei der jetzigen milden Witterung sind die Fledermäuse jedoch nach wie vor sehr aktiv und werden so vermehrt von den Rotoren erschlagen.

In dieser Saison wurde an den Windkraftanlagen im Harthäuser Wald ein sogenannter "angepasster Abschaltalgorithmus" eingeführt, der auf den Daten des Gondelmonitorings basiert. Seither dürfen die Anlagen im Sommerhalbjahr bspw. statt bei 6 m/s pauschal nun durchschnittlich bei 5,1 m/s in Betrieb gehen, also deutlich häufiger – und dennoch sollen angeblich weniger Fledermäuse an den Windkraftanlagen verunglücken. Obwohl wir weiterhin keine systematische Suche durchführten, fanden wir bei Stichproben bzw. im Vorbeigehen weit mehr getötete Tiere an den Anlagen als im Vorjahr, wo der sogenannte “pauschale Abschaltalgorithmus” noch galt. Während bei den Forschungen zu Renebat III1 bei über 1000 systematischen Suchen 12 tote Fledermäuse gefunden wurden, fanden wir ohne direkt zu suchen während der Phase des Abschaltalgorithmus 5 getötete Tiere, was in Relation enorm hoch ist. Man muss davon ausgehen, dass die Anzahl der tatsächlich getöteten Tiere noch wesentlich höher ist: viele Tiere werden von Mardern, Füchsen und anderen Beutegreifern gefressen, oder sie werden in dem Dickicht erst gar nicht entdeckt. Daraus kann geschlossen werden, dass die tatsächliche Anzahl der getöteten Tiere ein Vielfaches der Fundtiere
beträgt. Besonders dramatisch erwiesen sich allerdings die letzten Tage: der Abschaltalgorithmus sieht vor, dass es im November so kalt ist, dass kaum noch Fledermäuse aktiv sind, und erlaubt deshalb den uneingeschränkten Betrieb. Infolge der sehr milden Nächte waren die Fledermausaktivitäten jedoch sehr hoch, und zwar insbesondere am Turm. Innerhalb von nur vier Tagen wurden jetzt 6 tote Fledermäuse gefunden. Auch hier ist die Dunkelziffer sehr viel höher anzusetzen. In den beiden darauf folgenden Nächten drehten sich die Anlagen nicht, in der Nacht vom Samstag auf Sonntag jedoch wieder.

Unserer Forderungen sind bei dem künftigen Betrieb:

  1. nicht allein kalendarische Abschaltzeiten festzulegen, sondern es müssen die tatsächlichen Wetterbedingungen berücksichtigt werden. Die Abschaltzeiten müssen bis Betriebsende jährlich überprüft werden, die Daten des Gondelmonitorings ungefiltert öffentlich einsehbar sein.
  2. bei Flugaktivitäten am Turmfuß die Anlagen sofort abzuschalten, da unsere Erfahrungen und die von Wissenschaftlern zeigen, dass die Türme die Fledermäuse regelrecht nach oben
    leiten.
  3. wissenschaftliche Untersuchungen inkl. Schlagopfermonitoring im Harthäuser Wald durchzuführen.
  4. die als Ausgleichsmaßnahme aufgehängten Fledermauskästen in weiterer Entfernung zu den Windkraftanlagen anzubringen, d.h. umzuhängen.
  5. den sogenannten angepassten Abschaltalgorithmus zu überprüfen und die Anlauf-Windgeschwindigkeiten, wie vom Fledermausexperten Dr. R. Brinkmann empfohlen, deutlich hochzusetzen.

Da die Fledermäuse nur eine sehr geringe Reproduktionsrate aufweisen, erholen sich die Bestände von solch dramatischen Verlusten nur sehr schwer, eine Beeinträchtigung unserer Populationen kann bereits vermutet werden.

Abgesehen von den Fledermäusen wurden auch getötete Vögel, nämlich 2 Greifvögel und 6 Kleinvögel, an den Windkraftanlagen gefunden. Bei einem der Greifvögel handelte es sich um einen weiteren Wespenbussard; der erste wurde 2016 gefunden. Da von einer sehr begrenzten Anzahl an Brutpaaren auszugehen ist, und es sich bei den Fundtieren um Männchen während der Brut – bzw. Aufzuchtphase handelte, also zwei Paare samt deren Jungtieren betroffen waren, ist auch hier von einer Beeinträchtigung für die hiesigen Populationen auszugehen.

 

1. Renebat III ist ein Forschungsprogramm, in dem das Kollisionsrisiko von Fledermäusen an Onshore-Windenergieanlagen bestimmt wird (sh. http://windbat.techfak.fau.de/forschung/renebat-iii.shtml)