Amphibienjahr 2017
Da die Amphibienwanderung 2017 erneut in eine Bauphase weiterer Windenergieanlagen im Harthäuser Wald fällt, ist in erster Linie die ökologische Baubegleitung für die Amphibienschutzmaßnahmen zuständig.
Am Aufbau des „Krötenzauns“ wollten wir gerne behilflich sein. Die nächtliche Begleitung an der Landstraße wird weiterhin durch die SHW gewährleistet.
Zunächst waren wir etwas in Sorge, weil der Herbert – Bopp – See, das angesteuerte Laichgewässer, bis 19.2. noch gefroren war, aber dies erwies sich als unbegründet: gerade rechtzeitig zum Eintreffen der ersten Tiere war der See eisfrei.
Am Samstag, den 25.2. sollte der Zaun an der L 1047 durch den Verein und die ökologische Baubegleitung gestellt werden. Aufgrund milder Temperaturen, Regen und erwartetem Wanderbeginn der Amphibien begannen wir (einzelne Mitglieder und die ökolog. Baubegleitung + Praktikantin) jedoch schon ab Montag mit dem Aufbau des Zauns entlang der L 1047.
In dieser Woche setzten auch die ersten Wanderbewegungen ein; das Vorziehen des Zaunaufbaus entlang der L 1047 war eine gute Entscheidung gewesen. Den Zaunverlauf und – aufbau veränderten wir gegenüber dem Vorjahr leicht: der Zaun wurde nicht oben am Grabenrand, sondern tiefer gesetzt. Das schützte ihn einerseits gegen Wind, der uns 2016 zunächst sehr zu schaffen gemacht hatte, und ermöglichte es, den Zaun näher an die Eimer zu setzen und damit zu verhindern, dass die Tiere zwischen Zaun und Eimern durchwandern.
Allerdings war der Graben auch in diesem Jahr nach Regenfällen rasch mit Wasser gefüllt, und einige Eimer somit ebenso. Bei den nächtlichen Begehungen und frühmorgens konnten alle betroffenen Tiere geborgen und sicher an den See gebracht werden.
Dem sehr stürmischen Tief „Thomas“ hielt unser Zaun sehr gut stand. Es waren kaum Ausbesserungsarbeiten notwendig.
Abgesehen von der Security und „unverzichtbaren Fahrten“ (Störfälle an den Anlagen, Notfälle) gilt das nächtliche Fahrverbot im betroffenen Gebiet im Wald für alle Fahrzeuge und wird beispielsweise durch eine Absperrung gewährleistet. Der Schwerlastverkehr muss an der Kreisstraße halten und darf die Zulieferung erst nach der Morgendämmerung vornehmen.
Der Amphibienzaun im Waldgebiet wird ggf. kurzfristig noch ergänzt.
Da der Amphibienzaun situationsbedingt nicht komplett abschließen kann (Zufahrten zu Äckern an der L 1047 und Ziegelsteige bzw. Trautenplanie), sind nächtliche Sammelaktionen weiterhin sinnvoll um vermeidbare Opfer durch den Straßenverkehr zu verhindern.
Zwar wurden abgesehen von der Geschwindigkeitsbegrenzung auch Blinklichter installiert, aber das schützt nicht ausreichend.
Zudem sind die nächtlichen Rundgänge hochinteressant, weil sie einem viel über das Verhalten der Amphibien verraten. Nachts beispielsweise sind die kleinen Männchen, wenn sie nicht gerade hoch aufgerichtet am Wegrand oder auf der Straße auf die Weibchen warten, sehr aktiv: sie quaken lautstark und versuchen mit allen Mitteln, (dem Eimer) zu entkommen. Sie turnen über den Zaun und bringen sich somit in höchste Gefahr, weil dahinter die Landstraße verläuft. Die wehrlosen Tiere sind Feinden völlig ausgeliefert. Dass sich in diesem Jahr die Graureiher schon früh eingefunden haben, beruhigt nicht. Wenn Zeit ist, warte ich, bis die Erdkröten sich im Laub versteckt haben, bevor die Reiher sie entdecken. Deshalb ist es gut, wenn die meisten Tiere nachts an ihr Laichgewässer gelangen können und nicht erst morgens aus den Eimern befreit an den See gebracht werden.
Interessant war auch, dass der starke Wind den Kröten sehr zusetzte. Ihre Haut trocknete stark aus, was einige sichtlich zu schwächen schien. Dennoch harrten die Männchen tapfer aus um eines der begehrten Weibchen zu erwischen.
Die Erdkröten laufen nicht nur entlang der Wege oder durchs Laub, sie ziehen auch über Äcker, bis sie einen strategisch günstigen Platz gefunden haben, wo sie vorbeiziehende Weibchen erwarten können. Die Männchen beginnen die Reise oftmals vor den Weibchen, die erst später starten. Nach dem Ablaichen sind es dagegen oft die Weibchen, die zuerst wieder in den Wald aufbrechen.
Interessant sind auch die "Nebenbeobachtungen": so kann man feststellen, dass Regenwürmer lichtscheu sind. Vom Licht der Taschenlampe getroffen, verziehen sie sich blitzschnell zurück in die Erde.
Helfer sind natürlich herzlich willkommen, jedoch wissen viele nicht, wann eigentlich Hilfe gebraucht wird. Als "wechselwarme" Tiere können die Amphibien - im Gegensatz zu "gleichwarmen" Tieren ihre Körpertemperatur nicht selbständig steueren. Um aktiv sein zu können, benötigen sie eine gewisse Aussenwärme. Das bedeutet, dass die Erdkröten erst ab ca. 5 °C wandern. Natürlich gibt es Ausnahmen, aber das sind einzelne Tiere. Richtig aktiv sind sie bei milden Temperaturen, am besten mit Regen. Mit abendlichem Dämmerungsbeginn beginnt die Reise, die über die Äcker und durch den Wald einige Zeit beansprucht, bis die Tiere an der Strasse angelangt sind. Dort werden sie - hoffentlich - durch den Zaun gestoppt. Dramatisch wird es mit der Rückreise, wenn die Tiere abgelaicht haben und in den Wald zurückkehren. Im vergangenen Jahr waren Hunderte gleichzeitig auf der Landstrasse. Aus dieser Richtung wurden sie nicht durch einen Zaun am Betreten der Fahrbahn gehindert und kamen in großer Zahl ums Leben. Diese Bewegung ist ungewöhnlich; üblicherweise erstreckt sich die Rückwanderung über einen längeren Zeitraum und die Tiere laufen einzeln und nicht in großen Gruppen los. Warum sie sich im letzten Jahr anders verhielten und am Laichtag in großen Gruppen aufbrachen, ist unbekannt. Jedenfalls wird für den Fall, dass sich dieses Spektakel in dieser Saison wiederholt, in dem Zeitraum jede Hand gebraucht, da sich die Strecke auf ca. 700 m erstreckt und nur mehrere Posten entlang des Weges Schlimmstes verhindern können. Wer uns in der regulären Wanderungsphase begleiten möchte, darf dies gerne, aber bitte nur mit uns zusammen, da jedes einzelne Tier dokumentiert werden muss (Anzahl und Geschlecht). Notwendig sind eine Warnweste, Taschenlampe, Gummistiefel und ein Eimer..
Wie im letzten Jahr werden wir wieder zeitnah die Anzahl der gesamelten Tiere veröffentlichen. Wenn die Zahlen noch nicht bekannt sind, wird dies mit einem ? gekennzeichnet und ergänzt, sobald sie vorliegen.
Fotos diesjähriger Findlinge werden in der Galerie gezeigt und immer wieder um neue Bilder erweitert.
April 2017:
Die Amphibienwanderung ist zu Ende gegangen, es war ein ausgesprochen spannendes Ereignis. Die Rückwanderung der Amphibien ist zwar als ein länger andauerender Prozess bekannt, an dem sich immer wieder einzelne Tiere auf den Heimweg machen. Im letzten Jahr jedoch begaben sich Hunderte Erdkröten gleichzeitig und unerwartet an einigen wenigen Nächten auf den Rückweg. Es kamen dabei unzählige im Straßenverkehr ums Leben.
Sowohl die ökologische Baubegleitung, als auch das LRA HN erklärten sich einverstanden, in diesem Jahr auch die Rückreise der Amphibien mittels Zaun abzusichern. Mit dem ersten Laich stellten wir also einen zweiten Zaun entlang der L 1047 auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Dafür wurde der geplante Zaun entlang der Zuwegung zu den neuen Anlagen zunächst nicht gestellt, weil mit nächtlichen Transporten noch nicht zu rechnen war. Ggf. wäre der Zaun zeitnah noch errichtet worden.
Zeitweise kam es zu Überschneidungen zwischen den noch hinwandernden und bereits zurück wandernden Tieren, was uns vor logistische Herausforderungen stellte, da bei den rückwandernden Tieren auch die Richtung, in die sie wandern wollten, berücksichtigt werden musste; wir wollte sie schließlich nicht deportieren. Wir benötigten mehrere Eimer gleichzeitig um den Tieren gerecht zu werden.
Weil am Tag des Aufbaus des Rückreisezauns der Acker, über den die Tiere laufen mussten, großflächig mit Herbiziden behandelt wurde, brachten wir die Tiere nicht nur über die Straße, sondern in den Wald. Amphibien nehmen Stoffe über ihre sehr empfindliche Haut auf; sie hätten sich vergiftet.
Sehr unglücklich war auch der Zeitpunkt einer Feuerwehrlöschübung gewählt: inmitten des Höhepunktes der Laichphase, als sowohl der See, die umgebende Wiese und die Zufahrt voller Erdkröten und Frösche saßen, sollte die Übung direkt am See mit drei Großfahrzeugen stattfinden. Das hätte verheerende Auswirkungen gehabt. Die Feuerwehr ließ sich aber überzeugen, ihre Übung am Seehaus selbst und nicht unten am See durchzuführen, wofür wir ihr an dieser Stelle Dank sagen möchten.
Dankbar sind wir auch dafür, dass Fam. Valet auffiel, dass die Wiese um den See voller Amphibien saß, die sich tief ins Gras geduckt hatten, als diese Wiese gemulcht werden sollte – und das Mulchen deshalb verschoben wurde!
Durch die Betreuung der rückwandernden Tiere konnten wir beobachten, dass diese sich als überaus aktiv erwiesen. Sie turnten mühelos über den Zaun und entlang der Stöcke aus den Eimern, kletterten steile Hänge hinauf, rannten sogar die Bäume hinauf. Viele versuchten vergeblich, den Durchlass am Buchsbach zu erreichen, über den sie auf dem Hinweg zum See gekommen waren. Für die Rückreise liegt er jedoch zu hoch und war unerreichbar. Die Kröten erklommen den steilen Hang am Rande und gelangten so auf die Landesstraße, wo auch in diesem Jahr wieder viele starben. Von den rund 150 Todesopfern fielen 120 auf die letzte Woche mit den Rückwanderern.
Wir brachten 2056 Erdkröten (und 5 Frösche) an den See und 1861 Tiere zurück in den Wald. Da unsere betreutes Gebiet nördlich des Bopp Sees etwa 1/5 des Zuwanderungsgebietes abdeckt, und die restlichen 4/5 näher am Wald liegen und dort mehr Erdkröten vermutet werden können, ist von über 10 000 Erdkröten auszugehen, die zum Laichen an den See kommen.
Wir hoffen sehr, dass das LRA HN die in Aussicht gestellte feste Anlage zeitnah (am besten schon für das kommende Jahr) umsetzen wird und die Amphibien diese annehmen und sicher an ihren See und wieder zurück gelangen können.